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Das Prinzip der Doppelwaffen
"These
kind of weapons have so great liberty of striking or warding, and are so
intermeddled the one with the other, as no other sort of weapon is, which I
may compare to these."
- Giacomo di Grassi über Doppelrapiere[2]
Zur
Veranschaulichung werfen wir zunächst einen Blick auf ein prominentes
Beispiel, das den Zwei-Waffen-Kampf falsch wiedergibt: Das D&D-Regelwerk für
Rollenspiele.
Die D&D-Regeln gehen erfreulicherweise davon aus, daß ein Charakter in
seinen beiden Händen („primary“ und „offhand“) nach Belieben Schild oder
zweite Waffe verwenden kann. Benutzt er zwei Waffen, so hat der Charakter in
jeder Runde zwei Angriffe. Bei Doppelwaffen wird also zweimal gewürfelt.
Allerdings wird der Kampf mit zwei langen Waffen als besonders schwierig
angesehen, daher erhält der Charakter vom Regelwerk saftige Strafpunkte als
Handicap. Womit die vom Spieler erwürfelbaren Angriffswerte drastisch sinken
und beide Angriffe gemeinsam nicht selten schwächer sind als es ein Angriff mit
nur einer Waffe wäre. Häufig sind die zweifachen Angriffe zu
schwach, um die Verteidigung des Gegners zu knacken.
So plausibel das klingen mag, die Realität ist anders.
Zunächst die Gemeinsamkeiten: Mit der D&D-Runde kann man beim Fechten
durchaus das tempo vergleichen. Ein tempo ist eine
(variable) Zeiteinheit, die man für eine Aktion mit einer Waffe benötigt.
Haben wir Schild und Waffe, können wir in einem
tempo einmal angreifen, haben wir zwei Waffen, so können
wir in der gleichen Zeit zweimal angreifen, haben also zwei Angriffe.
Nun der wesentliche Unterschied: Ein tempo ist keine Einbahnstraße,
wir müssen mit Gegenverkehr sprich Angriffen des Gegners rechnen. Wenn wir
unsere Deckung vernachlässigen, wird uns der Gegner in die Suppe spucken.
Das gilt für Doppelwaffen ebenso wie für Schwert und Dolch oder Schwert und
Schild. Wer in einem tempo mit beiden Waf-fen angreift, gibt seine
Deckung komplett auf und wird diese Aktion gegen jeden mittelmäßigen Gegner
nicht überleben. Einen Double Kill bekommt mit etwas bösem Willen jeder
Anfänger hin.
Aus diesem Grunde sollte man nie mit zwei Waffen gleichzeitig
angreifen, sofern man nicht deutlich erkennt, daß der Gegner aus welchen
Gründen auch immer nicht kontern kann.
Nun könnte man daraus den Schluß ziehen, daß eine Waffe Parierwaffe und die
andere Angriffswaffe ist. Was dann zu der Frage führen würde, warum eine
zweite Waffe besser sein soll als ein Schild. Dieser Schluß ist aber falsch,
denn wir brauchen keine Parade, sondern Deckung. Parade ist eine Form von
Deckung, aber nicht die einzige. Man kann auch aktiv decken, etwa durch eine
Schwertbindung oder einen Klingenschlag oder gar eine Finte. Man führt also
einen Deckungshieb aus und hinter dieser Deckung den eigentlichen Angriff.
In diesem Fall führt man in einem tempo tatsächlich zwei
Aktionen aus - eine mit jeder Waffe, wobei beide Klingen als Einheit
agieren. Die erste Klinge eröffnet den Angriff und die zweite schließt ihn
ab und tötet den Gegner.
Auf die D&D-Regeln übertragen müßte für die beiden Waffen ein einziger,
gemeinsamer Angriffswert (Doppelangriff) erwürfelt werden, der größer ist
als wenn der Charakter nur eine Waffe mit Schild führen würde.
Erwähnt sei noch, daß es in der Praxis kein den
D&D-Regeln vergleichbares Handicap gibt. Zwei
lange Waffen behindern sich nur dann, wenn man jede von ihnen autonom wie eine
einzelne Waffe führen würde. Der Fechter bewegt seine Waffen aber als Einheit
und damit intuitiv so, daß sie sich nicht behindern und nicht kollidieren.
Wie bei den D&D-Regeln gilt allerdings, daß es extrem viel Übung braucht, um im
Zwei-Waffen-Kampf vernünftige Ergebnisse zu liefern.
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